Mobilität
Studierende können durch Mobilität ihren fachlichen und persönlichen Horizont erweitern. Schon in den ersten Dokumenten des Bologna-Prozesses wurde die Verbesserung der Studierendenmobilität als wesentliches Ziel formuliert. Wenn Studierende den vorübergehenden oder dauerhaften Wechsel des Studienorts in ihrem individuellen Bildungsprozess für sinnvoll erachten, dürfen ihnen keine Steine in den Weg gelegt werden.
Gleichwohl ist Mobilität nicht für alle Studierenden sinnvoll. Es darf keinerlei Zwang oder Erwartungsdruck seitens Universität oder Gesellschaft auf Studierende ausgeübt werden, Mobilitätserfahrung in ihrem Lebenslauf vorweisen oder die Hochschule wechseln zu müssen.
Mobilität kann einerseits in einem echten Hochschulwechsel bestehen, andererseits in einem zeitweisen Auslandsaufenthalt. Hochschulwechsel wiederum ist während des Studiums in einem Studiengang sowie an der Grenze von Bachelor und Master möglich. Ein Wechsel kann ins Inland und ins Ausland erfolgen. Mit Umstellung auf das gestufte Studiensystem ist zu beobachten, dass Hochschulwechsel kaum mehr innerhalb von Studiengängen, sondern fast ausschließlich beim Übergang vom Bachelor in den Master erfolgen.
Ein Mobilitätshindernis stellen zu strikte inhaltliche und formale Vorgaben in der Studienordnung dar, die zu überstrukturierten, "verschulten" Curricula führen. Die Universitäten haben dem entgegenzuwirken. Zudem müssen sie eine flexible Anrechnungspraxis gewährleisten und ihrer Dokumentationspflicht im Transcript of Records nachkommen. Zu beidem sind sie rechtlich verpflichtet. Insbesondere sind es die Universitäten, die gegenüber den Studierenden den Nachweis erbringen müssen, falls sie anderswo erbrachte Studienleistungen für nicht gleichwertig erachten.
Der Hochschulwechsel nach dem Bachelor wird bisweilen durch sehr kleinteilige Zugangsbeschränkungen für den Master erschwert. So sollen Absolventinnen und Absolventen der eigenen Bachelor-Programme gegenüber auswärtigen Studieninteressierten bevorzugt werden. Einerseits muss es Studierenden möglich sein, ein konsekutives Studium an der eigenen Hochschule aufzunehmen. Andererseits ist Mobilität gerade an dieser Schnittstelle nicht durch künstliche Hürden einzuschränken.
Das Absolvieren eines zeitweisen Auslandsaufenthalts wird mitunter dadurch behindert, dass Module in Studiengängen inhaltlich zu stark aufeinander aufbauen und so Zugangshürden für die Fortsetzung des Studiums geschaffen werden. In den meisten Fällen kann die Modulstruktur durch geschickte Studiengangsgestaltung so modifiziert werden, dass derlei spezifische Zugangsvoraussetzungen für Module vermieden werden. In Fächern und Studienphasen, wo ein solcher Studienaufbau notwendig ist, sollen die Curricula mit möglichst vielen in- und ausländischen Partneruniversitäten dergestalt abgestimmt werden, dass Mobilität mindestens zwischen diesen Universitäten möglich wird. Ein Auslandsaufenthalt würde andernfalls faktisch die Studienzeit verlängern - für viele ein nicht nur finanzielles Problem. Allen Interessierten ist eine ausreichende finanzielle Grundlage für ihren Auslandsaufenthalt bereitzustellen. Um Hemmungen entgegenzuwirken, sind ausreichend Informationen über Auslandsaufenthalte, deren Organisation und den damit verbundenen Aufwand zur Verfügung zu stellen. Eine Erleichterung stellen außerdem Mobilitätsfenster dar, die besonders geeignete Phasen im Studienverlauf für Auslandsaufenthalte identifizieren. Wünschenswert ist eine Ausweitung der Zahl der Partneruniversitäten und Austauschplätze, da aufeinander abgestimmte Programme sowohl die Kontinuität des Bildungsprozesses, als auch eine reibungsfreie Anerkennung gewährleisten.
Ein wesentliches Problem für Mobilität ist das studienbegleitende Sammeln für die Endnote. Manche Universitäten haben Bedenken, in großem Umfang Leistungen anzuerkennen, die an anderen Hochschulen erbracht wurden, da so ein Großteil der Endnote nicht an der Universität gebildet wurde, von der der Abschluss verliehen wird. Im Magister und Diplom hingegen wurde die Endnote in den allermeisten Fächern komplett an der Hochschule gebildet, an der der Abschluss erworben wurde. Ein Wechsel war mindestens innerhalb Deutschlands bis kurz vor Anmeldung zu den Abschlussprüfungen problemlos möglich. In Magister und Diplom wurde zwar durchaus auch studienbegleitend geprüft, allerdings meist ohne Relevanz für die Endnotenbildung. Die Endnote war in den allermeisten Fächern ausschließlich abhängig von wenigen punktuellen Prüfungen am Ende des Studiums. Eine zufriedenstellende Lösung bietet also keines der beiden Studiensysteme.
Hinsichtlich Mobilität muss ein gemischtes Fazit gezogen werden: Es wurden zwar manche Mobilitätshindernisse beseitigt, allerdings bei weitem nicht alle Probleme gelöst. In erheblichem Umfang sind durch den Bologna-Prozess sogar erst neue Hürden entstanden.
(Quellennotiz: http://www.hrk-bologna.de/bologna/de/download/dateien/Mobilitaet_im_Studium_2008.pdf
http://www.wissenschaftweltoffen.de/publikation/wiwe_2011_mit_bookmarks.pdf)